Stellungnahme der Initiative Esso-Häuser zum Bebauungsplan St. Pauli 45

Erklärung der Esso Initiative

05.04.2019


Hamburg, den 05.04.2019: Zurzeit liegt der Bebauungsplan für die Neubebauung des Esso-Häuser-Areals aus. Der B-Plan kann entweder im Bezirksamt Mitte oder in der PlanBude eingesehen und kommentiert werden. Wir als Initiative Esso-Häuser wollen mit dieser Stellungnahme unsere Sicht auf den ausliegenden B-Plan wiedergeben und auch den B-Plan in den Zusammenhang der langjährigen Auseinandersetzung setzen, an der wir maßgeblich beteiligt waren.

Vorgeschichte 

Die Esso-Häuser sind ein Nachkriegsbau aus den 60er-Jahren. Die Familie Schütze nutzte dieses Areal über Jahrzehnte erst in Erbbaupacht, erwarb es dann und verkaufte es 2009 an die Bayerische Hausbau. In einem vom Bezirk in Auftrag gegebenen Gutachten wurde 2014 festgestellt, dass die Familie Schütze und auch die Bayerische Hausbau die Häuser widerrechtlich über Jahre nicht in Stand gehalten haben. Den Abriss- und Neubauplänen der BHG setze die Initiative seit 2010 Engagement und Widerstand entgegen, und der Konflikt um die Esso-Häuser erlangte bundesweit Aufmerksamkeit. Zwar konnte der Abriss nicht verhindert, aber ein von der PlanBude durchgeführter beispielhafter Beteiligungsprozess erstritten werden, in dem zusammen mit hunderten Anwohner*innen der St. Pauli Code als Grundlage für alle Neuplanungen entwickelt wurde (https://planbude.de/st-pauli-code/). Ergebnis sind, neben dem Ausschluss von Eigentumswohnungen, ein Wohnmix von 60% geförderten und 40% frei finanzierten Wohnungen. Außerdem wurde vereinbart, dass es eine Nachbarschaftsgasse mit sozialem und stadtteilaffinem Gewerbe geben soll, mit einer Durchschnittmiete von 12,50 Euro. Ein gefördertes Wohnprojekt soll realisiert werden, das Molotow zurückkehren, die bedrohte Kogge im Areal ein neues Zuhause finden und es sollen urbane, öffentlich zugängliche Dachlandschaften entstehen. Dafür erhält der Investor ein Hotel (welches sich niemand im Stadtteil gewünscht hat) und darf eine enorm hohe Baudichte auf dem Areal realisieren.

Der städtebauliche Vertrag

Da nicht alle Details der politischen Vereinbarung im B-Plan festgelegt werden können, wurde Ende Oktober ein Städtebaulicher Vertrag zwischen Bezirk Mitte und der Bayerischen Hausbau geschlossen. Viele Details aus diesem Vertrag wurden diskutiert und unter Beteiligung des Projektrats und der PlanBude verhandelt. Allerdings sind in letzter Minute auch Dinge in den Vertrag gerutscht, über die vorher nicht alle Mitglieder des Projektrats (z.B. weder die Vertreter*innen der Stadtteilinis noch die PlanBude) informiert wurden.
So wurde das Hotel explizit vom St. Pauli Code ausgenommen, auch eine „Paulaner-Gaststätte“ mit Straßenverkauf hat vor der Unterzeichnung nie eine Erwähnung gefunden. Sehr fraglich erscheint uns auch, warum der Bezirk sich hat nötigen lassen, den B-Plan bis spätestens 30. Juni 2019 zu erlassen. Weitere zu kritisierende Punkte sind die im Vertrag festgelegten „Fall-Back-Optionen“. Diese stehen hinter all den vom Stadtteil erkämpften und gemeinsam mit allen Beteiligten beschlossenen Teile der Neubebauung (Baugemeinschaft, Nachbarschaftscluster, Dachnutzungen, Rückkehr Molotow und Ansiedlung Kogge). Im Prozess wurde von Politik, Verwaltung und Investor immer wieder betont, dass diese Fall-Back-Optionen keine reale Relevanz haben, weil man alles dafür tun werde, dass diese Teilprojekte auf jeden Fall realisiert werden. Nun stehen genau diese auf äußerst prekären Füßen! Für die Baugemeinschaft fängt die Fallback-Uhr bereits jetzt schon an zu ticken. Und die Bereitschaft der Bayerischen Hausbau, alles für die Umsetzung der vereinbarten Projekte zu tun, scheint zunehmend zu schwinden, sodass sich der Eindruck aufdrängt, dass die Fall-Back-Optionen sich im Nachklapp als geschickt eingefädelte Ausstiegsklauseln der Bayerischen Hausbau darstellen.

Deshalb gilt es nun zuvorderst VOR Verabschiedung des Bebauungsplans genau diese Teilprojekte juristisch einwandfrei zu sichern. Davor darf der B-Plan nicht verabschiedet werden!

Für den Bezirk ist der B-Plan das letzte Instrument, mit dem er der Bayerischen Hausbau Zugeständnisse abringen kann. Ist der B-Plan einmal erlassen, steigt der Wert des Grundstücks enorm und die Bayerische Hausbau hat das Baurecht und kann gerichtlich die Baugenehmigung einklagen.

Der B-Plan 

Aus unserer Sicht sind folgende Punkte im B-Plan nicht ausreichend klar und verbindlich festgelegt:

Im B-Plan müssen die vereinbarten Nutzungen für das Baufeld 5 festgeschrieben werden 
Dies bedeutet, dass eine Konkretisierung der Nutzungen im „Urbanen Gebiet (MU) erfolgen muss. Für das Erdgeschoss des „Nachbarschaftsclusters“ muss eine kulturelle und soziale Nutzung im B-Plan festgeschrieben werden, um die dortige Ansiedlung von kulturellen und sozialen Einrichtungen (wie z.B. kiezspezifische Sozialberatung und Stadtteilkantine, innovative und subkulturelle Nutzungen wie FabLab und Musik-Cluster) langfristig zu garantieren. Dass diese Konkretisierung der Nutzung generell möglich ist, zeigt z.B. der 2014 erlassene B-Plan zum Grundstück der „Roten Flora“ (Bebauungsplan Sternschanze 7).

Gewerbe und Läden im Sinne des St. Pauli Codes sichern: 
Laut des verhandelten und von allen Beteiligten gemeinsam verabschiedeten St. Pauli Codes soll es auf dem Areal kleinteilige, betreibergeführte Läden geben. Im B-Plan muss dies verbindlich festgeschrieben werden. Die Ladenflächen dürfen maximal 400 qm groß sein. Von dieser Regel darf es nicht mehr als drei Ausnahmen geben. Es muss ein Mitspracherecht von Seiten der Stadt bei der Gewerbevergabe gesichert werden.
Es muss festgeschrieben werden, dass stadtteilaffine Gewerbekonzepte Vorrang haben. Das Verbot von Ketten-Filialen und von Büros muss explizit im B-Plan verankert werden. Es darf kein Wohnen im EG entlang der Straßenräume auch für die neue Gasse / Passage geben.

Öffentliche Dächer:
Die Zugänglichkeit von Skate-Dach, Urbanem Dach, Kletterwand und Kunstspielfeld muss mit separaten Treppenräumen, die für die Öffentlichkeit zugänglich sind, gewährleistet sein. Der Zugang vom öffentlichen Raum auf das Dach muss dinglich hergestellt werden. Der Zugang muss ohne Einschränkung während der Öffnungszeiten möglich sein (kein Tor, Schranke, o.ä.). Die Dachnutzungen müssen als eine Art Gründach festgesetzt werden, die Herstellung und Ausstattung der Dächer für die Nutzung (Skaten, Klettern, Basketball spielen) muss gesichert werden. Die öffentliche Widmung der Dächer muss über einen Grundbucheintrag gesichert werden.

Die im Städtebaulichen Vertrag formulierten Fall-Back-Optionen müssen durch konkrete Festsetzungen im B-Plan so gut wie ausgeschlossen werden
Ein Jahr ist zu kurzfristig, um mit verschiedenen Interessenten für Läden im Sinne des St. Pauli Codes Gespräche zu führen.
Kiezspezifische, betreibergeführte Läden müssen immer Vorrang haben, auch bei Neuvermietungen nach Fertigstellung.
Das Einverständnis von Stadt bzw. Bezirkspolitik muss notwendig sein, um vom St. Pauli Code abzuweichen.
Jede Fall-Back-Option braucht das Einverständnis der Bezirkspolitik!

In der „Abwägung“ muss der Erhalt der sozialen und kulturellen Zusammensetzung St. Paulis Gewicht erhalten! Einwände gegen den B-Plan können auch online getätigt werden
https://bauleitplanung.hamburg.de/verfahren/6689aead-271f-49bc-921b-0f7115f2831f/public/detail

Download der Pressemitteilung als pdf hier